Urheberrecht

Isabella Sommer: PHONOLA UND URHEBERRECHT

Die Phonola nimmt eine Sonderstellung innerhalb der Instrumente zur Wiedergabe von Tonwerken ein.

Am 4. Mai 1915 behandelte der k.k. Oberste Gerichtshof, Wien den Fall: „Eingriff in das Urheberrecht: Mechanische Wiedergabe von Tonwerken; Phonola?“ und traf folgende Entscheidung: Abgedruckt in: Sammlung von civilrechtlichen Entscheidungen des k. k. Obersten Gerichtshofes, Band 52, 1915, Nr. 7431, S. 487-493. Bezüglich der Einflußnahme des Spielers der Phonola und der Definition des Instruments, wurde wie folgend ausgeführt:

„Um das Stück getreu wiederzugeben, ist es notwendig, daß der Spieler während der ganzen Zeit, da sich die Rolle abwickelt, in Anlehnung der Dynamik tätig ist. Diese Tätigkeit kann man sozusagen gedankenlos ausüben, man kann aber auch in den Geist des Stückes eindringen. Ein musikalischer Spieler wird daher das Urspiel besser zum Ausdruck bringen als ein unmusikalischer.“ (S. 489)

„Das richtige Spiel ist allerdings bei der Phonola durch die Notenrolle gewährleistet und dem Spieler nicht nur abgenommen, sondern von ihm unabhängig und unbeeinflußbar. Es ist aber auch nur das richtige Spiel an sich, welches mechanisch wiedergegeben wird. Es bedarf der unausgesetzten Mitwirkung des Spielers, welcher zumindest die dynamischen Hebel und den Pedalknopf zu bewegen hat, um aus dem (bloß) richtigen Spiel ein Tonwerk zu schaffen. Die Phonola ist daher kein mechanisches Instrument, denn sie ist kein rein mechanischer Apparat mehr.“ (S. 490)

„Es darf nicht gefragt werden, ob die Phonola ein Musikinstrument ist; es handelt sich nicht um die Abgrenzung nach oben, sondern um die nach unten. Die Frage, ob die Phonola ein Instrument zur mechanischen Wiedergabe von Tonwerken ist, ist daher deshalb schon zu verneinen, weil sie kein rein mechanischer Apparat mehr ist. […] bei der Phonola verlangt aber jede Notenrolle eine andere Behandlung. […] bei der Phonola wird der angestrebte Erfolg, das Tonwerk, durch die geistige Mitwirkung des Spielers hervorgebracht. Dabei darf nicht außer acht gelassen werden, daß nicht diese Mindestleistung der Bedeutung und den Zweck der Phonola ausmacht; sondern der besondere Reiz der Phonola besteht in ihrer Fähigkeit, in ihren Leistungen mit den steigenden Ansprüchen des Spielers zu wachsen und ihm volle Freiheit in Bezug auf eigene persönliche Gestaltung des Vortrages zu lassen. Und dieses individuelle Gepräge ist es recht dafür ausschlaggebend, die Phonola nicht zu den mechanischen Instrumenten zu rechnen.“ (S. 490f.)

Eine Zusammenfassung dieses OGH-Urteils veröffentlichte die Allgemeine Österreichische Gerichtszeitung am 17.7.1915, Nr. 29 auf S. 352 wie folgt:

„Die Phonola ist nicht als ein Instrument zur mechanischen Wiedergabe von Tonwerken im Sinne des §36 Urheberrechtsgesetz anzusehen.“

Instrumente, die eine darüber hinausgehende, durch künstlerische Leistung des Spielers herbeigeführte Wirkung ermöglichen, sind hiernach keine mechanischen Instrumente im Sinne des §36.“

Denn das „Musikstück kann mittels der Phonola tot und ohne Beseelung wiedergegeben, also gewissermaßen herabgeleiert werden; es kann aber auch und zwar entweder mit Verwendung von im Apparate vorhandenen Vorrichtungen (verschiedene Schieber, ein Knopf, verschiedene Vortragszeichen) oder ohne Bedachtnahme auf jene, nach eigenem Ermessen und musikalischem Können gemäß eigener persönlicher Auffassung und mit künstlerischer Empfindung wiedergegeben werden.“

Sogar 1954 findet sich im Österreichischen Urheberrecht noch ein Hinweis zur Phonola bezüglich Freier Werknutzung und Musikalischer Aufführungsfreiheit, in: Das Österreichische Urheberrecht, hrsg. von Dr. Wilhelm Peter, Wien 1954, S. 141:

„Phonolas, Pianolas oder ähnliche Instrumente, bei denen Tonstärke und Zeitmaß beeinflußt werden können, fallen nicht unter die Aufführungsfreiheit.“

Aus den vorliegenden historischen Gesetzestexten geht somit hervor:

Die bei Phonolamusic, Wien genannte Spielerin der Phonola, angeführt mit dem Vermerk: „An der Phonola: Isabella Sommer“ ist somit eine Interpretin.

Die Phonola Notenrolle hat die Funktion eines Tonsteuerungsreglers. Die Notenrolle an sich ist vergleichbar mit Musiknoten. Die auf der Notenrolle in Form von Löchern eingestanzten Musikstücke unterliegen dem Urheberrechtsgesetz. Das heißt: Die Kompositionen sind erst 70 Jahre nach dem Tod des Komponisten frei (vgl: Geltende Gesamte Rechtsvorschrift für Urheberrechtsgesetz, §60 (1). (Dies kann bei amerikanischen Komponisten variieren.)

Auch die von Pianisten eingespielten Künstlernotenrollen – viele Pianisten der Zeit haben die Notenrolle als Aufnahmemedium genutzt – sind erst 70 Jahre nach dem Tod des Pianisten frei.

Text: Isabella Sommer, Wien Februar 2016.